„The bread ain’t gonna disappear and nobody’s gonna smack your hand if you reach for it. But around here you might have to ask for things. I’m no mind reader, you know.“
Es gibt diese Bücher, die liest man und sie lassen einen nicht mehr los. Die Charaktere nehmen einen gefangen, legen einen in Ketten und man rennt und rennt im Kreis herum, während man die Charaktere vor sich sieht und sie sich ausmalt. Man liest Szenen wieder, man beginnt ganz am Anfang, blättert zum Ende vor, bleibt in der Mitte hängen, liest es wieder und wieder - ich habe „Morning Glory“ dreimal in ebenso vielen Monaten gelesen.
„Morning Glory“ von LaVyrle Spencer erschien zum ersten Mal 1989 und wurde im Februar 2009 beim Verlag Berkley Trade neu verlegt. Es umfasst ca. 448 Seiten im Taschenbuchformat. Leider ist es mir nicht bekannt, ob es eine deutsche Ausgabe gibt, aber da ich keine finden konnte, habe ich die Befürchtung, dass es nur auf Englisch erhältlich ist. Was mir sehr unverständlich ist, denn „Morning Glory“ ist eines der Bücher, die ich immer und immer wieder lesen könnte und für seine Großartigkeit viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Zeitlich spielt der Roman in den 1940er Jahren in den USA. Hauptprotagonisten sind Will Parker, ein ehemaliger Sträfling, der frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde, und Elly Dinsmore, eine schwangere Witwe mit zwei Kindern, die eine Anzeige in der Zeitung aufgibt, in der sie einen Ehemann sucht.
Will Parker hat das Verbrechen, wegen dem er fünf Jahre im Gefängnis gesessen ist, tatsächlich begangen - er hat eine Prostituierte getötet. Klar, es war keine Absicht und und und, aber das ändert nichts daran, dass er es getan hat und dazu steht.
Elly Dinsmore hingegen wird von allen Leuten in der Stadt als „verrückt“ und „wahnsinnig“ angesehen, was unteranderem daran liegt, dass sie kaum in die Stadt geht, sondern sich mit ihrer Familie mehr oder weniger auf ihrem Bauernhof versteckt und eigentlich gar keinen Kontakt mit der Außenwelt hat, wenn es sich vermeiden lässt. Und es lässt sich gut vermeiden.
Das ist einmal die Grundlage des Romans und das waren schon einmal alles Gründe, warum ich dieses Buch in die Hand nehmen wollte. Ich liebe zurückgezogene Protagonistinnen, die schüchtern sind - was Elly nicht zwingend ist, aber gut - ich liebe straffällige Protagonisten - sie machen immer so einen großartigen Konflikt - und ich liebe Ehen, die durch situationsbezogene Zweckmäßigkeit entstanden sind. Also hat mich dieses Buch schon einmal absolut angesprochen.
Dass Elly schwanger ist, hat mich etwas skeptisch gemacht, aber ich setzte mich über meine Besorgnis hinweg und auch, dass das Ganze in den 40er Jahren spielt, ignorierte ich. Diese Zeit spricht mich nämlich nicht wirklich an - ich bin ein Fan des 19. Jahrhunderts und das 20. Jahrhundert lässt mich meistens etwas zurückschrecken. Autos, Technik und dieses ganze Blabla... wer mag schon Telefone?
Ich verliebte mich Hals über Kopf in Will Parker. Der Mann ist ein großartiger Protagonist, dessen Optimismus mich jedes Mal wieder aufs Neue begeisterte und überraschte und seine ruhige, behutsame Art ließ mich wie Butter in der Sonne dahin schmelzen. Er akzeptierte das Unvermeidbare, stand zu seinen Gefühlen und er gab nie auf. Aber er war auch leise, sanft und freundlich, während er stets erwartete, dass Leute ihn als Sündenbock für alles sahen. Er ist kein Badass, er ist kein Draufgänger, er ist keiner von diesen Macho-Männern, die gerade so beliebt sind. Er ist echt, wie ein Mann, der genau gegenüber wohnen könnte. Gleichzeitig ist er ein Held, aber ein realer Held. Er ist einer der innerlich schönsten Charaktere, die mir je begegnet sind und das ist vermutlich der Hauptgrund, warum ich dieses Buch so sehr liebe.
Elly Dinsmore benötigte einige Zeit, um für mich warm zu werden. Sie war mir zwar sympathisch, aber ich tat mir am Anfang schwer, sie zu verstehen und einzuschätzen. Doch je länger und je mehr ich über sie las, desto lieber gewann ich sie. Sie war nicht wirklich schüchtern, sondern nur sozial sehr unerfahren. Je länger das Buch voranschreitet, desto offensichtlicher wird es, wie sehr sie durch ihre Kindheit geschädigt wurde und wie Will sie langsam dazu bringt, sich der Welt zu öffnen. Sie ist eine ängstliche Frau - hat Angst vor Bienen, Angst vor der Welt, Angst vor Nähe, aber zugleich ist sie sehr mutig und tapfer, sobald es um die geht, die sie liebt. Elly Dinsmore erinnerte mich an eine Löwenmutter, die ihre Familie bis aufs Blut verteidigt und der es dabei gleichgültig ist, was mit ihr passiert. Die Art, wie sie Will in ihrem Haus aufnahm, wie sie ihm ein Zuhause gab, während er ihr Zuhause lebenswerter machte, liebte ich allerdings ganz besonders.
Denn das ist wohl das Besondere an diesem Buch - man beobachtet zwei sehr einsame Menschen, wie sie gemeinsam weniger einsam werden. Doch nicht nur die beiden Protagonisten stehen im Fokus, sondern auch mehrere Nebencharaktere. Zwei davon wird man vermutlich eher nicht mögen, doch die Bibliothekarin hat es mir angetan. Sie ist einer der besten Nebencharaktere, die mir je untergekommen ist und ich mochte die Freundschaft zwischen ihr und den beiden Protagonisten, im speziellen Will, sehr.
Das war ein weiterer Punkt, der in diesem Buch wirklich beeindruckend war. Jeder Nebencharakter wurde liebevoll ausgearbeitet. Es gab keine flachen Charaktere, keine 08/15-Statisten, die austauschbar waren. Jeder von ihnen hatte Tiefe, Hintergründe, Stärken und Schwächen.
Es gibt natürlich Konflikte in diesem Buch. Es gibt zwei Nebencharaktere, die Unruhe stiften, bzw. einen ganz im Besonderen und das Buch spielt im Jahre 1941, wo der 2. Weltkrieg ins Rollen kommt. Gedanklich teile ich das Buch immer in zwei Teile - die Zeit davor und die Zeit danach. In der Zeit davor spielt sich die Geschichte hauptsächlich innerlich ab, also auf der emotionalen Ebene zwischen den beiden Protagonisten mit einigen Verbindungen nach außen, die aber erst langsam beginnen zu wachsen. Hier wird die Grundlage für Ellys und Wills Beziehung gelegt, der Grundstein, worauf sie später bauen werden. Es ist auch die Grundlage für Ellys Charakterentwicklung, denn dies ist der Anfang von ihren vorsichtigen Ausflügen in die äußere Welt, die später mehr werden.
In der Zeit danach kommen die äußeren Konflikte zum Vorschein, die Welt tritt in Ellys und Wills Leben ein und sie müssen sich der Öffentlichkeit stellen, wofür die Zeit davor unglaublich wichtig war.
Dies ist eine Geschichte, bei der man Charaktere kennen lernt, die man einfach nur lieben muss. Wenn man Geschichten mag, bei denen eine langsame, sorgfältige Charakterentwicklung vonstatten geht, dann hat man hier einen Schatz gefunden, denn dies wird einem definitiv geboten.
Sonnenblumige Grüße
Sophia
Allgemeines: Titel: Morning Glory Autor: LaVyrle Spencer Erscheinungsdatum: 1989 Seitenanzahl: 448 Seiten Bildquelle: Goodreads | LaVyrle Spence wurde am 17. Juli 1943 geboren und zog sich 1998 als Autorin zurück. Sie veröffentlichte unzählige Ro mane, die sich durch ihre realistischen und sympathischen Charaktere auszeichnen. Zwölf ihrer Bücher waren New York Times Bestseller und Spence wurde 1988 in die Hall of Fame der Romance Writers of America aufgenommen.Quelle: Wikipedia |